Ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Freibrief für Simulanten?

Arbeitsverhältnisse laufen nicht immer friktionsfrei ab. Der Arbeitgeber findet sich in gerichtlichen Verfahren meist in der Verteidigerposition wieder, das Arbeitsrecht ist arbeitnehmerfreundlich und streitbare Arbeitnehmer können bei Erteilung von Rechtsschutz durch die Arbeiterkammer ohne Sorge wegen allfälliger Prozesskosten klagen, weshalb Arbeitgeber oft das Prozess- und Kostenrisiko scheuen und sich erst gar nicht auf ein gerichtliches Verfahren einlassen oder sich im Verfahren aus wirtschaftlichen Gründen zum Abschluss eines – wenn auch schmerzenden – Vergleiches entschließen. Dass die Rechtsprechung aber nicht immer auf der Seite der Arbeitnehmer steht, zeigt nachfolgende Causa:

Nach einem Streit mit dem Arbeitgeber verlässt die Arbeitnehmerin mit den Worten „Macht` euch euren Scheiß` selber“ das Büro und erklärt auf dem Firmenparklatz ihrem Arbeitgeber, der ihr nachgeeilt ist: „Du wirst dich noch anschauen, ich gehe zum Arzt.“ Noch am selben Tag erhält der Arbeitgeber vom Hausarzt der Arbeitnehmerin eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung mit dem Vermerk „Grund der Arbeitsunfähigkeit: Krankheit“ gefaxt. Selbstverständlich hat die Arbeitnehmerin bis zu ihrer Äußerung am Parkplatz nie über irgendwelche gesundheitlichen Beschwerden geklagt. Der Arbeitgeber lässt sich dieses Verhalten nicht gefallen und entlässt die Arbeitnehmerin fristlos, im darauffolgenden, von der Arbeitnehmerin eingeleiteten Verfahren, behauptet diese, aufgrund eines sog „Burn Outs“ arbeitsunfähig gewesen zu sein, dies über einen Zeitraum von mehr als sieben Monaten ab dem Streitgespräch. Der Arbeitgeber kann jedoch den Beweis erbringen, dass die Arbeitnehmerin etwa drei Wochen nach dem Streit über einen Zeitraum von zwei Tagen für ein anderes Unternehmen als freie Mitarbeiterin gearbeitet hat. Die Arbeitnehmerin rechtfertigt dies im Verfahren damit, dass ihr das Arbeiten im Krankenstand von ihrem Arzt als „medizinisch günstig“ empfohlen worden sei!?

Der Arbeitgeber ist sich sicher: Die Arbeitnehmerin hat simuliert, um nicht mehr zur Arbeit kommen zu müssen und beantragt ein medizinisches Gutachten zum Beweis dafür, dass die Krankschreibung von der Klägerin erschlichen wurde. Das Landesgericht Innsbruck weist diesen Beweisantrag wegen „Unerheblichkeit“ ab, weil die Arbeitnehmerin ja ausgesagt hat, dass sie monatelang wegen eines „Burn Outs“ krankgeschrieben gewesen sei und auch sofort eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung gefaxt hat.

Das Oberlandesgericht Innsbruck sieht die Sache aufgrund unserer Berufung vollkommen anders und findet klare Worte: „Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist eine Dienstnehmerin unter Wahrung ihrer Entgeltfortzahlungsansprüche vom Dienst entschuldigt, wenn sie objektiv betrachtet arbeitsunfähig war oder wenn sie von einem zur Feststellung ihrer Arbeitsunfähigkeit berufenen Arzt in Krankenstand genommen wurde, obwohl dazu keine Veranlassung bestanden hatte, die Dienstnehmerin sich aber dennoch auf die Richtigkeit der ausgestellten ärztlichen Bescheinigung verlassen durfte. Die Dienstnehmerin kann nämlich grundsätzlich auf die Empfehlungen ihres Arztes vertrauen, soweit ihr nicht deren offensichtliche Unrichtigkeit klar sein musste oder die Krankschreibung von vornherein auf falschen Angaben der Dienstnehmerin beruhte oder Zustandsveränderungen ein solches Vertrauen ausgeschlossen haben. Jener Grundsatz, dass einer Dienstnehmerin im Allgemeinen der gute Glaube zugebilligt werden muss, sich für arbeitsunfähig zu halten, wenn ein Arzt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gelangt ist, bildet aber nur einen Erfahrungssatz, der dem Dienstgeber nicht das Recht nimmt, seinerseits den Beweis anzutreten, dass die Arbeitnehmerin trotz Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung arbeitsfähig war und auch davon Kenntnis hatte bzw aufgrund besonderer Umstände davon Kenntnis haben musste, was jedenfalls der Fall wäre, wenn die Dienstnehmerin die ärztliche Bestätigung durch bewusst unwahre oder stark übertriebene Angaben gegenüber dem Arzt erwirkt hat.

Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist also kein Freibrief für einen Arbeitnehmer, welcher bloß simuliert. Der Arbeitgeber hat das Recht, die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Sachverständigen nachkontrollieren zu lassen und den Beweis zu erbringen, dass der Arbeitnehmer das Attest bloß erschlichen hat.

– Mag. Michael Kathrein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert